Warum Erdgas keine Brücke zu einer lebenswerten Zukunft ist

Warum Erdgas keine Brücke zu einer lebenswerten Zukunft ist
© Daniel Teichmann

Von Fridays for Future Berlin

Es ist 2025 und deprimierende Nachrichten prasseln auf uns herab, als ob sie versuchten, sich gegenseitig zu übertreffen. Jenseits des Atlantiks erinnert die Situation an eine schlechte Politsatire, die man spätestens nach ein paar Folgen mit der Bemerkung „also jetzt übertreiben sie wirklich” wegklicken möchte. 

Die Klimakrise droht dabei von der medialen Bildfläche zu verschwinden. Als sei Klimaschutz einfach nur nice to have.

Doch inmitten der eskalierenden Klimakrise kann dieses Thema nicht ignoriert werden. Die neue Bundesregierung muss endlich das Mindeste tun, was eine Regierung ihrer Bevölkerung schuldet: ihre Lebensgrundlagen und somit ihr Überleben sichern. 

Schauen wir uns mal an, wie die neue Bundesregierung in diesem Punkt abschneidet und warum es sich trotz der manchmal erschlagenen Nachrichten lohnt, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. 

Verantwortung für Deutschland lautet der stolze Titel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD. Doch tatsächlich scheint sich die neue Regierung mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, Verantwortung in Bezug auf die Klimakrise zu übernehmen. Es reicht nicht zu behaupten, man halte an den Klimazielen fest, wenn gleichzeitig ein Koalitionsvertrag vorgelegt wird, der mehr Rückschritt als Fortschritt beinhaltet und so unsere Zukunft gefährdet. Hervorzuheben ist da insbesondere der Gasrausch der neuen Bundesregierung.

Erdgas wird im Koalitionsvertrag gefährlicher Weise als zukunftsfähige Brückentechnologie gehandelt. Mit “sauberem” Gas soll der Weg in die Klimaneutralität überbrückt werden. Doch das Versprechen von sauberem Gas ist schlicht falsch. Gas ist sogar schädlicher als Kohle. Denn Methanverluste in der gesamten Kette von der Förderung bis zur Verbrennung verursachen erhebliche Klimaschäden, zusätzlich zu den ohnehin entstehenden CO2-Emissionen. 

Doch statt auf den nötigen Gasausstieg setzt die neue Regierung auf einen Gasausbau. So werden „langfristige [...] Gaslieferverträge mit internationalen Anbietern” angestrebt, sowie neue gesundheitsschädliche und grundwassergefährdende Gasförderung in Deutschland. 

Doch genug vom Koalitionsvertrag - wie sieht es in der Praxis aus?

Vor der Nordseeinsel Borkum wird nun seit einigen Wochen fossiles Gas aus dem Boden gepumpt und auch in Reichling am Ammersee soll bald gebohrt werden. Solche Projekte sind keine Brückentechnologie, denn durch Langzeitverträge muss das gefährliche Gas über Jahre hinweg als Energiequelle genutzt werden.

Eine Schlüsselrolle in der Energiewende wird Katherina Reiche (CDU) als neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie spielen. Die letzten fünf Jahre bis unmittelbar vor ihrem Amtsantritt war sie Vorstandsvorsitzende von Westenergie AG, einem Tochterkonzern des Energieunternehmens E.ON. Westenergie AG betreibt ein 37.000 km langes Gasnetz. Dass ein solcher Gasgigant wenig Interesse an einer schnellen Dekarbonisierung der Energieversorgung hat, sollte klar sein.

Es überrascht also nicht, dass Frau Reiche ein großer Fan vom Gasausbau in Deutschland ist. 

Reiche plant mehr als zwanzig neue Gaskraftwerke. Dabei will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Im Sinne der sogenannten Technologieoffenheit soll auf das Auslaufmodell des klimaschädlichen und im Vergleich zu erneuerbaren Energien teuren fossilen Rohstoffs gesetzt werden. Ein völliger Irrsinn. 

Doch damit nicht genug: Laut Katherina Reiche wurde Klimaschutz in den letzten Jahren „überbetont” (ach, wäre das schön!). Es brauche nun laut der Bundesministerin einen „Realitätscheck”, da die Energiewende Versorgungsprobleme mit sich bringe.

Dabei waren Versorgungsprobleme der vergangenen Jahre extrem selten. Problematisch war viel eher, dass nicht genug erneuerbare Energien vorhanden waren und dass Deutschland abhängig von fossilen Lieferungen von autokratischen Staaten wie Russland war. 

Angesichts dieser Politik, die sich weigert, endlich das Ende der fossilen Energien zu akzeptieren, scheint es manchmal so, als ob ohnehin alles verloren sei. 

Doch die Lösungen, wie man die Klimakrise bekämpfen kann, sind vorhanden, sie müssen nur noch umgesetzt werden. Dank der jahrelangen Arbeit von Klimabewegungen wie Fridays for Future wurden schon große Erfolge erzielt: das Klimaschutzgesetz in Deutschland und auf EU-Ebene den Green Deal zum Beispiel. 

Eine klimagerechte Zukunft ist möglich. Um die zu erreichen, hat Fridays for Future der neuen Bundesregierung drei Forderungen für ihre ersten 100 Tage im Amt vorgelegt:

Gebraucht wird jetzt das Vorantreiben der Energiewende mit einem klaren Plan für den Gasausstieg bis 2035. Die Bundesregierung darf ihren brandgefährlichen Gas-Kurs nicht fortsetzen. 

Außerdem fordert Fridays for Future die Wiedereinführung der verbindlichen Sektorziele des Klimaschutzgesetzes. Aktuell gibt es für die einzelnen Sektoren wie Verkehr, Energie, Landwirtschaft usw. keine festen Emissionsziele, sodass das Einsparen von Emissionen in einem Sektor den Anstieg von Emissionen in einem anderen Sektor ermöglicht. Klimaneutralität kann aber nur erreicht werden, wenn in allen Sektoren die Emissionen gedrosselt werden. 

Drittens wird ein Sofortprogramm für Verkehr und Gebäude gefordert, also die Umsetzung einer sozial gerechten Wärmewende, eines bezahlbaren Deutschlandtickets, des Bahn-Ausbaus und dem Ende fossiler Subventionen.

Die Folgen des Klimawandels werden in Deutschland durch Hitzewellen, Dürren, Überflutungen und weitere Extremwetterereignisse immer präsenter. Die Gefahren sind existenziell und jeder Bruchteil eines Grades Erwärmung muss dringend vermieden werden. Doch man sollte auch niemals aus den Augen verlieren: Wir kämpfen nicht “nur” gegen tödliche Klimaszenarien, sondern auch für eine gerechtere und lebenswerte Zukunft, die uns und den zukünftigen Generationen ein gesünderes, glücklicheres und erfüllteres Leben ermöglicht. Die 100 Tage Forderungen von Fridays for Future sind die wahre Brücke zu dieser lebenswerten Zukunft.  

Die Berliner Ortsgruppe von Fridays for Future trifft sich jeden Dienstag von 18 bis 20 Uhr an der TU Berlin. Neue Menschen sind stets willkommen. Mehr Infos unter: https://fridaysforfuture.berlin/.